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Schulangst, Schulunlust oder Schulverweigerung in der Grundschule

„Ich habe Bauchschmerzen“. Diesen Satz hört ihr seit einiger Zeit jeden Morgen von eurem Kind und ihr könnt es nur schwer dazu bewegen in die Schule zu gehen? Wie ihr erste Anzeichen für Schulangst, Schulunlust und Schulverweigerung erkennen könnt und was du als Eltern tun könnt, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Lesezeit: Etwa 9 Minuten
Isoliertes Grundschulkind, Junge im Schulflur

Von Schulangst bis Schulverweigerung

Ihr bekommt aber auch nicht aus eurem Kind heraus, was genau los ist? Insgesamt wirkt es verschlossener und unglücklicher auf  und ihr macht euch Sorgen. Nicht zu unrecht. Es ist durchaus möglich, dass das die ersten Anzeichen einer Schulverweigerung sind. Schulangst tritt bereits im Grundschulalter auf bzw. beginnt dort und entwickelt sich, wenn nicht frühzeitig interveniert wird nicht selten zu einer kompletten Verweigerung in späteren Schuljahren. 

Die Anzeichen

Diese Verhaltensweisen können auf eine Schulunlust oder Schulangst eures Kindes hinweisen:

  • Körperliche Symptome ohne erkennbare Ursache (Bauchschmerzen, Kopfschmerzen,...)
  • Lässt sich morgens nur schwer dazu motivieren loszugehen- trödelt, kommt regelmäßig zu spät
  • Verschlossenheit – blockt bei dem Thema Schule oder Freunde sofort ab
  • Niedergeschlagenheit/Traurigkeit
  • keine Energie, Motivation
  • keine Freunde/sozialen Kontakte
  • Kind berichtet nichts von der Schule
  • Verheimlichen von Klassenarbeiten und Noten
  • Hausaufgaben werden nicht erledigt oder verheimlicht
  • schlechte Leistungen
  • immer wenn ein bestimmtes Fach (Lehrer) ist z.B. Sport , tut irgendwas weh- wird der Sportbeutel vergessen o.ä.
  • übernimmt Aufgaben Zuhause, die eigentlich Erwachsene tun (sich um den Haushalt kümmern, Elternteil trösten, engster Vertrauter eines Elternteils sein, sich um Geschwister kümmern)
  • ist sehr anhänglich/ kann sich beim Abschied kaum trennen (z.B. bei getrennt lebenden Eltern, wenn das Kind eine Woche bei der Mutter und die andere Woche beim Vater ist).

Die Ursachen

Die Ursachen für eine Schulunlust können vielfältig sein und liegen nicht immer, wie zunächst oft angenommen, auf schulischer Seite. Auch häusliche Bedingungen können eine Rolle spielen. Im folgenden sind mögliche Ursachen aufgelistet.

Mögliche Ursachen auf schulischer Seite

  • Minderwertigkeitsgefühle aufgrund von schlechten Leistungen
  • Liest langsam- schafft die Aufgaben nicht, weil er/sie mehr Zeit braucht, um diese zu lesen
  • Schreibt langsam (wirkt sich auch auf andere Fächer aus- kommt nicht mit s. Lesen)
  • wird von MitschülerInnen geärgert, ausgegrenzt, gemobbt, erpresst
  • keine/oder negative Beziehung zum Klassenlehrer
  • fühlt sich allein gelassen mit den Problemen (keine Unterstützung von MitschülerInnen oder LehrerInnen)
  • insgesamt mit den Lerninhalten überfordert
  • Druck von Seiten der Lehrkräfte

Im häuslichen Umfeld begründete Ursachen:

  • hat Angst vor Reaktion eines Elternteils (z.B. Bestrafung: Schläge, Nichtbeachtung)
  • will von der Schule erzählen, aber Eltern haben keine Zeit zuzuhören oder zeigen Desinteresse- haben andere Sorgen
  • hat Angst die Erwartungen der Eltern nicht erfüllen zu können (lügt)
  • Denkt es muss sich um ein Elternteil kümmern- will es nicht alleine lassen
  • Will mehr Zeit mit einem Elternteil verbringen, als möglich (z.B. bei getrennt lebenden Eltern oder wenn ein Elternteil sehr viel auf Geschäftsreise ist)

Die Handlungsmöglichkeiten

Was können die Eltern tun?

Einer Schulunlust oder einer Schulangst kann durch das Schaffen positiver Bedingungen entgegengewirkt werden.

  • Steht dem Schulleben des Kindes positiv, interessiert und engagiert gegenüber. So fühlt sich eurer Kind von euch unterstützt und kann Probleme besser meistern. Wenn ihr als Eltern selbst regelmäßig über die Schule schimpft oder eurem Kind den Eindruck vermittelt, dass diese nicht ernstzunehmen und blöd sei, ist es für euer Kind natürlich auch nicht gerade einfach, die Schule gut zu finden.
  • Sorgt dafür, dass euer Kind über eine ausreichende Lese- und Schreibkompetenz verfügt. Sobald ihr merkt, dass euer Kind in diesem Bereich Schwierigkeiten hat, sucht das Gespräch mit der Lehrkraft, fragt nach Fördermöglichkeiten und macht ggfs. eine Überprüfung auf eine Lese- und Rechtschreibschwäche.
  • Übernehmt nicht alles für euer Kind und erfüllt ihm nicht jeden Wunsch. In der Schule gilt es mit Ungerechtigkeiten umzugehen. Wenn ihr Kind keinen Frust gewöhnt ist, wird es ihm schwer fallen, wenn in der Schule nicht alles so einfach klappt.
  • Lasst euer Kind selbstständig sein. Dazu gehört nicht nur das Tragen des Ranzens sondern auch das Nachgehen eigener Freizeitinteressen. Auch der Weg zum Hobby kann nach Möglichkeit selbstständig bewältigt werden. Daran merkt das Kind, das es kompetent ist und fühlt sich selbstsicher.
  • Gebt den Tagen eine klare Struktur. Der Wecker klingelt immer um halb 7, dann wird gemeinsam gefrühstückt. Darauf kann sich euer Kind verlassen? Das ist super, denn feste Tagesabläufe geben eurem Kind Orientierung und Sicherheit.
  • Übertragt eurem Kind kleine Aufgaben im Haushalt, aber lasst es nicht den Haushalt schmeißen. Euer Kind muss spüren, dass ihr die Übersicht und die Kontrolle im Haushalt habt. Aber das Übernehmen von kleinen Aufgaben, wie Spülmaschine ausräumen oder Müll weg bringen, machen eurem Kind deutlich, dass es einen wichtigen Teil in einer Gemeinschaft beitragen kann.
  • Lasst euch Schularbeiten zeigen und macht deutlich, dass euch der Schulerfolg eures Kindes nicht egal ist. Das heißt nicht, dass ihr Druck aufbauen sollt. Lasst euer Kind spüren, dass euch sein Leben wichtig ist.
  • Stärkt eure Familie durch gemeinsame Unternehmungen. Denn ein fester Familienzusammenhalt wirkt sich positiv auf die psychische Stabilität eures Kindes und auf den Schulerfolg aus.
  • Habt euer Kind im Blick und regiert auf Veränderungen. Denn, je früher etwas gegen die Schulunlust oder Schulangst getan wird, um so besser kann diese erfolgreich behoben werden.

Wenn der Verdacht auf Schulunlust besteht, sind folgende Schritte zu gehen:

  • Sorgt dafür, dass euer Kind regelmäßig zur Schule geht. Auch wenn euer Kind immer ein Argument dafür hat, nicht in die Schule gehen zu können, lasst euch nicht darauf ein. Das „Nicht- hingehen“ ist nicht die Lösung des Problems, sondern verstärkt es nur. Kommt besser dem wahren Problem auf den Grund und unternehmt etwas dagegen.
  • Bei beginnender Schulunlust oder Schulangst, ist es wichtig so früh wie möglich einzugreifen, am besten schon bei den ersten Anzeichen das Gespräch mit der Schule zu suchen. Denn gerade das gemeinsame ziehen an einem Strang von Eltern und Schule ist am erfolgsversprechendsten. Wartet also nicht ab, bis sich Strukturen verfestigt haben, sondern versucht frühzeitig zu intervenieren.
  • Sucht das Gespräch mit eurem Kind. Zeigt Interesse, indem ihr eurem Kind Fragen zu Herausforderungen in der Schule stellt und auch danach, über was es sich Zuhause ärgert. Dabei ist es hilfreich, wenn ihr offene Fragen formuliert, wie: Was fällt dir in der Schule schwer? Statt Antworten in den Mund zu legen: Mathe fällt dir schwer, oder?
  • Seid aktive und verlässliche Unterstützer. Nehmt euer Kind ernst, indem ihr ihm glauben schenkt, es tröstet und auch Wege aufzeigt und die Ideen zeitnah umsetzt („Ich werde heute Abend bei deiner Lehrerin anrufen und ein Gespräch mit ihr vereinbaren, möchtest du dabei sein? Was soll ich ihr sagen?).
  • Ermutigt euer Kind. Baut es auf, macht ihm deutlich, dass der Zustand nicht für immer so bleibt, und dass es es schaffen kann, da raus zu kommen.
  • Holt Freunde eures Kindes als Unterstützer mit ins Boot. Freunde spielen für euer Kind als gleichaltrige Partner eine ganz zentrale Rolle. Außerdem sind sie in der Schule mit dabei und können euer Kind vor Ort unterstützen. Tut dies aber nicht ohne das Wissen eures Kindes. Überlegt besser gemeinsam mit eurem Kind, welche/r Freund/in es auf welche Art und Weise in der Schule unterstützen könnte und wie ihr diese/n ansprechen wollt.
  • Nehmt eure eigene psychische Stabilität und eure familiäre Situation unter die Lupe. Gibt es etwas, womit ihr als Eltern emotional zu kämpfen habt/hattet (Verlust, Trennung, Krankheit)? Übertragt ihr womöglich eigene Ängste auf euer Kind? Oder gebt ihr dem Kind Anlass zur Sorge? Kinder reagieren sehr sensibel auf Veränderungen und sind schnell verunsichert, wenn sie spüren, dass es einem Elternteil nicht gut geht. Dies kann ein Grund für das Kind sein, nicht zur Schule gehen zu wollen.
  • Sucht das Gespräch mit der Lehrkraft ggfs. auch mit der Schulleiterin oder der Vertrauenslehrerin. Sprecht eure Sorgen ganz offen und klar an. Benennt neben schulischen auch häusliche Faktoren, die eine Rolle spielen könnten. Entwickelt gemeinsam mit mit den Lehrkräften einen Plan.
  • Sucht den Kontakt zum Schulpsychologischen Dienst. Die dort arbeitenden Schulpsychologen/innen sind auf Schulunlust, Schulangst und Schulverweigerung spezialisiert, sprechen vertraulich mit euch und sind auch bei Gesprächen mit der Schule dabei. Diese Einrichtung werden von den Schulämtern in jedem Bundesland angeboten und sind kostenfrei.
  • Im Einzelfall kann auch in Betracht gezogen werden, die Klasse oder gar die Schule zu wechseln, wenn keine Aussicht auf Erfolg besteht, an den gegebenen Faktoren (Lehrkraft, MitschülerInnen) grundlegende Veränderungen zu erzielen, vor allem, wenn die Ursachen nicht im häuslichen Bereich liegen, dort also die Bedingungen stimmen.
  • Ein Schulwechsel ist zwar ein großer Schritt, kann aber, bezüglich der Schullust Wunder bewirken. Er sollte allerdings gut vorbereitet werden. Die Schule, zu der gewechselt werden soll, muss in die Problematik eingeweiht werden, damit diese gleich eine Klasse finden kann, die gute Voraussetzungen mitbringt.

Was kann die Schule tun?

Auch auf schulischer Seite gibt es Faktoren, die sich positiv auf eine motivierte Teilnahme am Unterricht auswirken. Ob diese in der Schule gegeben sind, kannst du gegebenenfalls auch mit den Lehrkräften gemeinsam überprüfen. Die Aufstellung kann aber auch dazu dienen, Ideen zu finden, die das Gelingen ermöglichen.

  • Eine stabile und vertraute Beziehung zur Klassenlehrkraft ist von elementarerer Bedeutung. Das Kind fühlt sich sicher, wenn die Lehrkraft alles im Griff hat, also weiß, was in der Klasse passiert und wie es den Kindern geht. Wenn das Kind das Gefühl hat bei ihr gut aufgehoben zu sein und sie auch bei Problemen ansprechen zu können, ist die Chance groß, dass es gerne in den Unterricht zu dieser Lehrkraft geht.
  • Gute Freunde in der Klasse sorgen dafür, dass das Kind sich bei den gleichaltrigen dazugehörig fühlt und auch bei Streitereien jemanden an seiner Seite weiß. Außerdem sind die Freunde immer ein Grund dafür, in die Schule zu gehen.
  • Aufgaben im Schulleben zu übernehmen trägt nicht nur zur Identifikation mit der Schule bei, sondern kann auch ein Grund dafür sein hinzugehen (z.B. Schulgarten pflegen, Zuständig für Erste-Hilfe oder Streitschlichtung sein, usw.)
  • Ein soziales Klassenklima, also SchülerInnen, die gelernt haben aufeinander zu achten und bei Problemen einzelner MitschülerInnen zu unterstützen, können für Kinder, die nicht gerne in die Schule kommen, eine große Hilfe sein. Ein Klima des Miteinanders statt des Gegeneinanders.
  • Lehrkräfte, die sich für das Weiterkommen des Kindes interessieren und dieses aufbaut. Es nicht aufgibt oder gar fallen lässt, sondern frühzeitig nach Unterstützungsmöglichkeiten, wie Hausaufgabenhilfe/betreuung oder Lese-Rechtschreibtherapie, sucht, damit es gar nicht erst soweit kommt, dass das Kind aufgrund von Leistungsproblemen nicht mehr in die Schule gehen möchte.
  • Schulischen Misserfolgen vorbeugen bzw. intervenieren. Bei schwachen Leistungen kann die Lehrkraft nicht nur gemeinsam mit den Eltern außerschulische Unterstützung (Therapie) in die Wege leiten oder schulinterne Hilfe anbieten, sie hat auch durch das Gewähren eines individuellen Nachteilsausgleichs (Zeitplus, kürzere Aufgaben, extra Raum etc.) , die Möglichkeit „Leistungsdruck“ raus zu nehmen.