Format: Pro-Contra – Mann und Frau
Pro Contra

Väter im Kreißsaal?!

Väter waren im Kreißsaal früher undenkbar und heute sind sie dort kaum noch weg zu denken. Oder? Viele Paare wagen es nicht, diese Frage offen zu besprechen, weil sie Angst davor haben, die Partnerin zu enttäuschen oder vom Partner zu viel zu erwarten. Doch es gibt hier kein generelles „richtig“ oder „falsch“. Wir haben einen Vater und eine Mutter gebeten, uns ihre – sehr unterschiedliche – Erfahrung und Meinung zu schildern. Vielleicht hilft euch das, mit einander ins Gespräch zu kommen und eine für euch passende Verabredung zu treffen.

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Mann und Frau sitzen Rücken an Rücken

Holger Illing: "Das Dabeisein lohnt sich doppelt"

Der Vater aus Hamburg, 41 Jahre, hat Kreißsaal-Erfahrung vorzuweisen, inklusive ausgiebiger Frischluftpausen. Der selbstständige Kreativ-Direktor ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Warum werdende Väter in den Kreißsaal gehören? Weil das hier und heute ihr Job ist! Das Projekt wurde vor neun Monaten gemeinsam angeschoben, jetzt den Live-Gang verantwortlich begleiten ist ja wohl das Mindeste. Außerdem lohnt es sich gleich doppelt: Erstens schweißt es zusammen – kürzer werden die Intervalle zwischen gemeinsam erlebtem, purem Glück und (leichter) Verzweiflung nie wieder. Und zweitens gibt es tatsächlich keinen größeren Glücksmoment im Leben, als den frisch geborenen Nachwuchs zum allerersten Mal in den Armen zu halten und ihm (oder ihr) ganz tief in die Augen zu sehen. Das lässt auf einen Schlag die lauten Schreie (und sei es nur die aus dem Nachbar-Kreißsaal) oder die plötzlich doch irgendwie besorgten Blicke der Hebamme vergessen.

Und wer jetzt immer noch zweifelt, dem sei gesagt, dass es durchaus okay ist, zwischendurch mal Frischluft zu atmen. Aber nur, um dann im Kreißsaal wieder seinen Mann zu stehen.

Kirsten von Mejer: "Das Kümmern wurde mir zuviel"

Kirsten, 45 Jahre, ist Kommunikationscoach und ist es gewohnt mit schwierigen Situationen umgehen. Sie findet es spannend, welche kommunikativen Herausforderungen eine Familie bietet. Ihre Strategien werden von Tochter Emma gern immer wieder getestet.

Ich gebe zu, ich habe Dinge gerne im Griff. Bei der Geburt meiner Tochter wurde mir jedoch nur zu deutlich bewusst, wie wenig ich manches im Griff habe(n) kann.

Vorher sah ich die Rolle meines Partners im Kreißsaal als die des treu ergebenen Erfüllungsgehilfen. Er sollte mein verlängerter Arm sein, mich bedingungs- und ja, auch kommentarlos – unterstützen bei was-auch-immer-da-auf-uns-zukommen-möge und alles, alles, alles tun, was ich will. Naiv!

Ich liebe an ihm, dass er weder bedingungs- noch kommentarlos ist – warum sollte es ausgerechnet in dieser Situation anders sein? Natürlich stand er an meiner Seite, hat mit mir gehechelt und mir die Hand gehalten, obwohl ich seine dabei fast zerquetscht habe. Das war sagenhaft. Aber das Kümmern wurde mir dann zu viel, als  wir im Kreißsaal diskutierten, ob es sinnvoll ist, ausgerechnet jetzt nach einem Bad fragen zu wollen – da wurde es schwierig mit uns und mir.

In genau diesem Augenblick beschloss ich, beim nächsten Mal meine beste Freundin mitzunehmen.