Format: Pro-Contra – Mann und Frau
Pro Contra

Stillen?!

Stillen ist wichtig, überschätzt, anstrengend und superpraktisch. Muttermilch oder Pulver, Flasche oder Brust? Auf jeden Fall ist die erste Nahrung nach wie vor ein großes Thema, das viel diskutiert wird – von Fachleuten wie von Müttern und Großmüttern. Auch wenn das Stillen der natürlichste Weg ist, ein Neugeborenes zu nähren gibt es manchmal auch Gründe, die dagegen sprechen. Wir haben für euch zwei unterschiedliche Erfahrungen aufbereitet. Sie sollen euch helfen, den eigenen Weg zu finden. Stillen oder nicht – Zeit für Zärtlichkeit ist die Nahrungsaufnahme für euch und euer Baby in jedem Fall.

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Stillende Mutter mit Baby auf dem Arm

Kirsten Schulz: "Stillen war unerwartet einfach"

Kirsten, 32 Jahre, ist Mutter einer 2-jährigen Tochter und hat 14 Monate lang gestillt. Sie hätte noch länger die Brust gegeben, aber ihre Tochter hatte keine Lust mehr.

Für mich ist Stillen einfach das Beste, was ich als Mutter meinem Kind in den ersten Lebensmonaten geben kann. Ich habe  mir am Anfang wenig Gedanken darüber gemacht, dass es so viel mehr ist als reines Füttern. Das Stillen hat uns besonders verbunden, die Nähe, der Hautkontakt und einfach die Zeit für uns haben wir genossen. Auch in der Nacht, denn wir hatten einen Babybalkon am Bett und nach ein paar Wochen stillte ich im Halbschlaf. Für eine Flasche hätte ich immer richtig aufstehen müssen! Am Anfang habe ich mir Sorgen gemacht ob auch alles klappt. Ich hatte Glück und in der Klinik eine gute Stillberatung bekommen.

Es war alles unerwartet einfach; das hat die Natur prima eingerichtet. Muttermilch ist schon ein Wunder. Sie schmeckt immer anders und passt sich den Bedürfnissen des Babys in der Entwicklung an. Die cremige Vormilch hat viele Abwehrstoffe und schützt das Neugeborene vor Infektionen. Und bei Wachstumsschüben produziert die Brust mehr Milch. Mich hat das fasziniert. Praktisch fand ich das Stillen auch unterwegs. Ich musste an nichts denken und hatte immer alles dabei, genau in der richtigen Temperatur. In so einer Wachstumsphase wollte mein Tochter schon manchmal oft angelegt werden, nicht unbedingt weil sie Durst hatte, aber die Nähe gab ihr Sicherheit. Das war schon anstrengend. Aber wenn ich sah, wie sie anlachte, ihre winzige Hand auf meine Brust legte, dann waren Müdigkeit und Stress sofort vergessen.

Julia Bendixen: "Nicht Stillen zu müssen, war für mich eine Befreiung"

Julia, 29 Jahre, ist Mutter von munteren Zwillingssöhnen. Die Jungs, jetzt zwei Jahre alt, halten sie ziemlich auf Trab; darum freut sie sich, dass sie mittlerweile vieles gelassener sieht.

Stillen war für mich ein Dogma. Als meine Zwillinge vor zwei Jahren geboren wurden, stillten alle um mich herum. Die Flasche geben? Darüber wurde im Geburtsvorbereitungskurs gar nicht gesprochen! Ich wäre nie auf die Idee gekommen nicht zu stillen. Also habe ich gestillt. Auch wenn ich natürlich mit zwei hungrigen Kindern das Doppelte leisten musste. Das Stillen war von Anfang an eine Tortur. Für uns alle. Die Jungs waren sehr zart und so wurde von Anfang an zugefüttert. Ich musste Abpumpen und hatte das Gefühl, an einer Melkmaschine zu sitzen. Stundenlang. Da ich eine schwere Brustentzündung in der linken Brust hatte, konnte ich nicht beide gleichzeitig anlegen, der andere weinte dann oft. Und ich auch. Vor Schmerzen und vor Frust. Ich war ganz schön unter Druck, meinen Kindern diese wertvollen Nährstoffe und Innigkeit bieten zu können.

Viel zu spät habe ich mich getraut und mir fachlichen Rat bei einer Stillberaterin gesucht. Und es war für mich der Befreiungsschlag, als diese endlich aussprach was ich mir zu denken verboten hatte: Hören Sie doch bloß auf damit! Ab dann wurden meine Kinder von einer wesentlich entspannteren Mutter mit der Flasche gefüttert. Und zwar gleichzeitig! Ich hatte auf Schlag mehr Zeit, die wir spielend und kuschelnd verbracht haben. Es gibt eben viele Wege, um eine Bindung zum Baby aufzubauen.

Toll war auch, dass mein Mann dadurch von Anfang mithelfen konnte. Mit  dem nächtlichen Fläschchen war das natürlich auch einfacher. Er war viel früher aktiv eingebunden und das tat uns allen Vieren sehr gut. Das Thema Flaschennahrung und Allergien habe ich auch für mich abgehakt. Klar ist Muttermilch das beste, aber wenn ich mir meine beiden Wonneproppen mittlerweile anschaue, so haben die beiden das sehr gut überstanden, dass sie diese nur kurz bekamen. Die Kinder haben sich klasse entwickelt und sind nicht mehr oder weniger krank als andere Kinder. Der Stilldruck ist schlimm, und ich wünsche mir, dass Mütter sich nicht dafür rechtfertigen müssen, wenn sie ihr Baby nicht stillen wollen oder können. Diese Blicke, wenn ich die Flasche gab, das war schon nicht einfach. Auch Flaschenkindern geht es gut – nämlich dann, wenn es ihrer Mutter gut geht.