Die Vorfreude ist riesig - der positive Schwangerschaftstest ist endlich da. Doch dann hat man plötzlich das Gefühl die Welt geht unter – Schocknachricht Fehlgeburt. Leider gibt es viel zu oft kein Happyend, sondern Sternenkindeltern.
Es kann alle treffen: Paare, die sich schon lange ein Kind wünschen, Eltern, die unbedarft und sorgenlos mit ihrer Schwangerschaft umgehen, Mütter, die schon angstbesetzt ihren positiven Schwangerschaftstest in den Händen halten. Viel zu viele Familien bekommen Sternenkinder und mindestens ebenso viele Angehörige und Freunde wissen nicht, wie sie ihre Trauer ausdrücken und mit den Betroffenen umgehen können. Doch was sind Sternenkinder überhaupt, wann darf man traurig sein, wie mit Betroffenen umgehen, was gibt es zu beachten? Wie und warum man darüber sprechen sollte, kannst du hier nachlesen.
Als Sternenkinder werden Kinder bezeichnet, die vor, während oder nach der Geburt verstorben sind. Sofern das Kind bei der Geburt keine Lebenszeichen zeigt, unter 500 Gramm wiegt oder die 24. Schwangerschaftswoche nicht erreicht, spricht man von einer Fehlgeburt. Wenn ein Kind bei der Geburt keine Lebenszeichen zeigt, ab 500 Gramm wiegt oder die 24. Schwangerschaftswoche erreicht hat, handelt es sich um eine Totgeburt.
Lebend geborene aber in den darauffolgenden Stunden, Tage, Wochen gestorbene sind ebenso Sternenkinder. Dazu zählen auch Fälle von plötzlichem Kindstod. Sternenkinder sind auch durch Schwangerschaftsabbrüche gestorbene Kinder.
Ein Sternenkind hat man folglich unabhängig von einer bestimmten Schwangerschaftswoche.
Eine Tatsache, die für viele Eltern ganz wichtig zu wissen ist: Mit einem positiven Schwangerschaftstest ist man Mutter und Vater.
Sobald dann jedoch das Herz aufhört zu schlagen, wird man unvermittelt zu Sternenkindeltern. Ab diesem Zeitpunkt ist es notwendig, sich über Geburt, Trauer, Erinnerung und Umgang mit dem Sternenkind sowie mit der betroffenen Familie Gedanken zu machen.
Eines möchte ich betonen, es gibt keine Grenze, keine Schwangerschaftswoche, mit der man starten darf zu trauern. Kein Elternpaar – keine Sternenmama – muss seine Erfahrung kleiner halten, als es sich anfühlt. Man darf um sein Kind, um die Situation, um die verlorene Seele und die Vorstellung einer Zukunft, die man schon hatte, trauern. Ganz gleich, in welcher Schwangerschaftswoche das eigene Kind gestorben ist. Die schmerzende Wahrheit ist, dass kein folgendes Kind so sein wird wie das eben gestorbene. Man wird nie wissen, wem das Kind wohl ähnlich gewesen wäre. Was es als Leibspeise gehabt hätte oder ob es eine Sportskanone, Kreativkind oder Träumer*in geworden wäre.
Sofern der Gynäkologe/die Gynäkologin die Schocknachricht Fehlgeburt ausgesprochen hat, haben Eltern Zeit. Für gewöhnlich besteht kein Grund zur Eile. Man darf also nach Hause gehen, die Nachricht sacken und die Trauer auf sich zukommen lassen. Eine Fehlgeburt bedeutet nicht automatisch, dass man in ein Krankenhaus und operiert werden muss.
In Rücksprache mit der behandelnden Ärztin/Arzt, einer Hebamme, Doula (eine nichtmedizinische, geburtserfahrene Helferin) oder Sternenkindbegleiterin kann man zu Hause eine kleine Geburt erleben. Ein Prozess, in dem Körper Zeit und Raum gelassen wird, das Kind auf die Welt zu bringen. Sicher gibt es hier Dinge zu beachten. Während im ersten Schwangerschaftstrimester nichts gegen eine kleine Geburt zu Hause spricht, sollte man die Geburt im zweiten Trimester ins Krankenhaus verlagern. In diesem Trimester ist der Körper auf „Festhalten“ ausgerichtet, die Plazenta löst sich daher (kaum) von allein.
Es gibt viele Wege um von seinem Sternenkind Abschied zu nehmen.
Zum Teil kommt es darauf an, wie das Sternenkind geboren wird. Bei einer Fehlgeburt kann man sein Baby mittels kleiner Geburt auffangen und es entsprechend der Bundesländerbestimmung beerdigen. Nach einer Ausschabung kommt es häufig zu Sammelbestattungen.
Wichtig: Alle Sternenkindeltern haben ein Bestattungsrecht. Ab einem Geburtsgewicht von 500 Gramm haben Eltern darüber hinaus eine Bestattungspflicht. Wichtig ist, dass sich Betroffene nicht überrumpeln lassen. Sie müssen für gewöhnlich nicht am nächsten Tag im Operationssaal liegen.
Außerdem ist die Zeit nach der Geburt wesentlich. Möglich ist fast alles: Berührungen, Fotos, je nach Größe auch Finger-, Hand- und Fußabdrücke. Greifbare Erinnerungen können Geburtskarten, Traueranzeigen, Namenseintragungen beim Standesamt, Figuren, Kleidungsstücke, Kerzen, Steine, Haarsträhnen und Muttermilch sein. Hier zählt nicht die Masse an „erledigten“ Dingen. Aber Erinnerungen schaffen hilft definitiv auch dabei, sich der Situation bewusst zu werden und Abschied zu nehmen.
Je mehr Zeit man hat und sich auch nimmt, desto eher kann man die Ereignisse setzen lassen, annehmen und damit umgehen lernen.
Trauer sieht überall anders aus und ist individuell. Es können die verschiedensten Emotionen auftreten – von Trauer und Wut zu Liebe und Dankbarkeit – alles darf sein. Wichtig ist zu wissen, dass man nicht allein ist. Hilfe und Unterstützung zu suchen und anzunehmen, mit anderen Betroffenen zu sprechen, eine Trauerbegleitung an der Seite zu haben, eine kreative Arbeit aufzunehmen, eine Trauerfeier zu gestalten – die Möglichkeiten sind immens.
Eltern sollten informierte Eltern werden, damit sie auch Jahre später noch an Erinnerungen festhalten können. Oftmals fällt es schwer zu verstehen, dass andere Menschen – gerade der eigene Partner*in anders trauern. Wenn man hier ins Gespräch geht und die verschiedenen Bedürfnisse bespricht, kann man möglichen Erwartungen und Missverständnissen vorgreifen. Die Trauer um das eigene Kind begleitet einen aber meist ein Leben lang, wenngleich sie sich mit der Zeit verändern kann und wird. Zu wissen, was einem guttut ist in jedem Fall hilfreich.
Wenn es im Umfeld ein Sternenkind gibt, fragt man sich, wie der Umgang mit den Trauernden aussehen kann. Am wichtigsten ist Einfühlungsvermögen. Sätze wie: „Das war doch noch nichts“, „Ihr seid noch so jung und könnt so viele Kinder bekommen“, „Wer weiß wofür es gut war“, „das passiert so vielen Frauen“ darf man getrost bei sich behalten. Sie sind verletzend, übergriffig und schlicht unangebracht. Hilfreicher ist es, die Betroffenen erzählen zu lassen, Hilfe anzubieten, Essen zu kochen, gemeinsam Erinnerungen zu schaffen und schlicht anwesend statt abwesend zu sein. Häufig kristallisieren sich in solche schweren Lebensphasen verlässliche Freunde heraus.
Möchte man gern helfen, macht man das Angebot lieber ganz konkret. Betroffene möchten niemandem zur Last fallen, die Stimmung senken oder auf den Geist gehen. Ein „melde dich, wenn du was brauchst“ wird daher eher ungenutzt bleiben.
Einer Sternenmama zu begegnen, vielleicht wenn man gerade in seiner eigenen heilen Welt ist, fällt unfassbar schwer.Aber jede Sternenmama, jedes Sternenelternpaar sollte wissen, dass sie nicht allein sind und gesehen werden.
Eltern können nicht über den Tod ihres Kindes hinwegkommen. Sie können niemals dorthin zurückkehren, wo sie vor diesem Verlust waren. Mit Hilfe guter Begleitung und Verständnis können sie den Weg durch die Trauer aber bestärkt gehen – in dem Wissen, dass Sternenkinder auch Kinder sind und ihr Thema nun hoffentlich bald kein Tabuthema mehr sein wird.
Falls ihr gerade eine Fehlgeburt erlebt, vor einiger Zeit erleben musstet oder in eurem Umfeld aktuell jemand betroffen ist, findet ihr in eurer Umgebung offene Ohren und Unterstützung. Speziell ausgebildete Trauerbegleitungen von Sternenkindern stehen euch, euren Bekannten oder möglichen Angehörigen und Geschwistern durch die schwere Trauerzeit zur Seite.