Die bilinguale, also mehrsprachige Erziehung bei Kindern, ist ein sehr komplexes Thema. Jede Familie hat ihre individuellen Lebensentwürfe. Es gibt viele Familien, in denen die Kinder zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit mehreren Sprachen aufwachsen. Dies zeigt das folgende Beispiel von Lisa aus Deutschland und ihrem ungarischen Mann Bela.
Lisa und Bela haben sich berufsbedingt in Budapest kennengelernt. Sie leben jetzt in Deutschland. Lisas Muttersprache ist Deutsch, Belas ist Ungarisch. Miteinander sprechen sie Ungarisch und Englisch. Seit Bela in Deutschland lebt, spricht er etwas Deutsch – die dritte Sprache im Alltag.
Lisa und Bela haben sich aus unterschiedlichen Gründen dazu entschieden, ihre neugeborene Tochter zweisprachig (Deutsch und Ungarisch) zu erziehen: „Wir wollen die Chance nutzen, dass wir zwei Sprachen mit in die Familie bringen“, sagt Lisa. „Unsere Tochter soll mit ihren Verwandten in Ungarn und in Deutschland sprechen können. Sie soll beide Kulturen verstehen lernen. Vielleicht arbeitet sie später einmal in beiden Ländern? Schließlich trägt sie ja beide Kulturen in sich."
Dieses Beispiel steht stellvertretend für viele andere Familienentwürfe, in denen Kinder mehrsprachig erzogen werden. Wenn du dich fragst, ob du dein Kind mehrsprachig erziehen sollst, erfährst du hier, worauf zu achten solltest.
Wird dein Kind mehrsprachig aufwachsen, achte auf ein sprachlich klar strukturiertes Umfeld. Jedes Elternteil spricht immer die Sprache mit seinem Kind, die es am besten beherrscht. Im oben genannten Beispiel spricht Lisa mit ihrer Tochter Deutsch, Bela spricht mit seiner Tochter Ungarisch. So haben beide die Chance, ihrer Tochter in der direkten Ansprache das qualitativ beste Sprachvorbild zu sein.
Als unmittelbare Bezugspersonen unterstützen sie ihre Tochter angemessen und ganz automatisch beim Aneignen von sprachlichen Regeln und Strukturen – eine der wichtigsten Voraussetzungen für Kinder beim Erwerb von Sprache. Untereinander können Lisa und Bela weiterhin so miteinander sprechen wie zuvor.
Zur Unterstützung der Sprachentwicklung von Kindern ist es besonders wichtig, dass du dein Kind überhaupt zum Sprechen anregst. Dies kannst du tun, indem du beispielsweise regelmäßig mit deinem Kind Bücher anschaust, Alltagshandlungen sprachlich begleitest und Alltagserleben besprichst. Animiere dein Kind dazu, viel zu sprechen, Fragen zu beantworten und dir interessiert zuzuhören. Bela beispielsweise kann seiner Tochter Bücher in ungarischer Sprache vorlesen und mit ihr besprechen.
Nein, Mehrsprachigkeit überfordert dein Kind nicht. Es kommt aber vor, dass mehrsprachig aufwachsende Kinder anfangs Wörter aus zwei Sprachen mixen („Dahinten läuft der Dog.“). Das Zugreifen auf unbekannte Wörter aus einer Zweitsprache ist aber erst einmal eine gute Strategie. Natürlich muss bei allen Kindern ein Augenmerk auf die sprachliche Entwicklung gelegt werden. Hierzu dienen in den ersten Lebensjahren unter anderem die U-Untersuchungen beim Kinderarzt, der für weitere Schritte zur Logopädie überweisen kann.
Allgemein gilt, dass etwa jedes zehnte Kind eine Sprachentwicklungsstörung entwickeln kann. Mehrsprachige Erziehung ist hierfür allein keine Ursache. Sprachschwierigkeiten würden sich dann bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern übrigens in jeder Sprache zeigen, nicht nur in einer Sprache.
Lisa und Bela haben sich übrigens auch gefragt, ob ihre Tochter durch mehrere Sprachen überfordert wird. Bela hat Angst, dass ihre Tochter durch die ungarische Sprache die deutsche Sprache vielleicht langsamer erlernt und sich ihre Sprachentwicklung verzögert. „Ich möchte nicht, dass meine Tochter mit den vielen Sprachen durcheinanderkommt und erst viel später anfängt, Deutsch zu sprechen als Gleichaltrige. Da wir in Deutschland leben, ist mir die deutsche Sprache für unsere Tochter besonders wichtig“, sagt Bela.
Du siehst, bei Zweisprachigkeit der Eltern ist die bilinguale Erziehung unter Berücksichtigung einiger Empfehlungen für Kinder eine gute Chance. Möchtest auch du dein Kind mehrsprachig erziehen, solltest du im Vorfeld mit deinem Partner darüber sprechen. Findet euren Weg, wie ihr in der Familie klare Sprachstrukturen und die sprachlichen Anregungen umsetzen wollt!